INSECT-Blog - Kurznachrichten zum Thema sechs Beine!

Eine Welt ohne Insekten? Nicht auszudenken! Immerhin sind Insekten die artenreichste Tierklasse auf der Erde. Ihre Lebensstrategien sind überaus spannend. Und ihre Bedeutung in Ökosystemen ist unschätzbar. Daher stehen die sechsbeinigen Tierchen in diesem Blog im Mittelpunkt. Das Spektrum der Beiträge umfasst Interessantes und Wissenswertes sowie Komisches und Kurioses aus dem Reich der "Sechsbeiner", den Hexapoden. Die vielfältigen Texte kommen von passionierten Amateuren bis hin zu Forscherinnen an wissenschaftlichen Institutionen und Universitäten. 
Viel Spaß beim Lesen!

Dr. Herbert Zettel – ein Leben für die Entomologie

22. November 2024

Für seinen langjährigen Einsatz wurde Herbert Zettel, Schriftleiter und ehemaliger Präsident der AÖE, kürzlich zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt. Was ihn an den kleinen Erdenbewohnern fasziniert, und welche Bedrohungen er für ihre Vielfalt sieht, hat er Sonja Schwingesbauer im Interview erzählt – hier einige Auszüge daraus.

Sonja Schwingesbauer: Lieber Herbert, wenn man sich deinen Lebenslauf durchliest, hat man das Gefühl, du wolltest schon immer Entomologe werden. War das tatsächlich so? Und wie hat dein Interesse, deine Leidenschaft für die Insektenwelt begonnen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Herbert Zettel: Meine besondere Neigung zu den Insekten kam recht spät und war das Ergebnis einer langen Entwicklung. Doch schon als kleiner Bub faszinierten mich Tiere. Dies wurde von meinem Opa gefördert. Damals, in den späten 1960ern hatte noch jeder Zirkus zahlreiche exotische Tiere: Löwen und Tiger, Eisbären und Robben, Elefanten und Kamele. Heute wird dieser Umgang mit Tieren freilich negativ bewertet. Aber auch der Tiergarten hatte damals noch viel zu kleine Bärenzwinger und hunderte kleine Vogelkäfige. Jedenfalls wurde meine Begeisterung für die biologischen Vielfalt früh geweckt: Schon in der Volksschulzeit erstellte ich Unmengen kleiner Tierzeichnungen und verschenkte sie an Mitschüler.
Im Gymnasium standen mir die mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer am nächsten. Nach der Matura wollte ich – stark beeinflusst durch die wöchentlich Fernsehsendungen von Professor Otto König („Rendezvous mit Tier und Mensch“) – an der Universität Wien Verhaltensforschung studieren. Nach einer einzigen langweiligen Psychologie-Vorlesung und wegen einer (kurzzeitigen) Änderung der Studienordnung entschied ich mich aber für ein reguläres Biologiestudium mit Hauptfach Zoologie. Dass das Studium viel mehr bot, als verschiedene Tiere vorgestellt zu bekommen, überraschte mich anfangs. Physiologie erschien mir bald zu labor-orientiert und für Ethnologie fühlte ich mich schnell ungeeignet (ich habe zu wenig Geduld). Also blieben mir die morphologischen Fächer. Ich schwankte lange zwischen Mollusken und Arthropoden und entschied mich für letztere, wohl weil ich die klaren Strukturen eines Außenskeletts schätzte und weil ich schon eine kleine Käfersammlung angelegt hatte. Diese Wahl brachte mich schließlich schon als Student ans Naturhistorische Museum, wo Univ.-Doz. Hofrat Dr. Maximilian Fischer (1929–2019) meine Dissertation über die Taxonomie von Brackwespen (1987–1991) betreute.

Sonja Schwingesbauer: Seit 1992 bist du im Naturhistorischen Museum Wien beruflich tätig. Mittlerweile bist du Abteilungsleiter der Abteilung für Insekten. Du hast auch schon viele Jahre als Forscher hinter dir. Was waren für dich die spannendsten Momente oder Entdeckungen während deiner Laufbahn?

Herbert Zettel: Viele Menschen glauben, ein Forscherleben ist voll spannendster Entdeckungen. Selbst bei tiefstem Interesse: die Heureka-Momente sind selten. Schon im Rahmen meiner Dissertation hatte ich 108 Brackwespenarten und fünf Gattungen neu beschrieben – alles ausschließlich anhand von genadelten Insekten aus vielen Museen. Das bedeutete viele Stunden Messungen von Körperteilen, Merkmalsbeschreibungen und Zeichnungen. 
Meine Anstellung im Jahr 1992 brachte zwei grundlegende Änderungen: Erstens, als Kurator für Hemiptera wandte in mich den Wanzen zu, genauer gesagt den Wasserwanzen. Zweitens war ich nun von den größten finanziellen Zwängen befreit, und es gab plötzlich die Möglichkeit, die Vielfalt der Tropen zu erkunden, mit privaten Mitteln oder sogar in Expeditionen des Museums. 
Meine Ziele lagen in Südostasien. Auch über entomologische Expeditionen haben die Menschen oft falsche Vorstellungen: gefährliche Tiere wie Schlangen und Skorpione, Tropenkrankheiten und Überfälle. Das gefährlichste sind aber Unfälle. Unzählig waren die Busse und PKWs, die ich in Straßengräben oder unter Abhängen gesehen habe. Die kritischsten Situationen entstanden beim Sammeln allein auf rutschigem Terrain. 
Außerdem: Die meisten neuen Arten entdeckt man nicht während einer Expedition, sondern danach, am Arbeitsplatz nach genauer Betrachtung der „Ausbeute“ unter dem Mikroskop, oft sogar erst nach Sezieren der Genitalstrukturen. Doch ein paar tolle Entdeckungen vor Ort gab es schon, z. B. jene einer neuen Unterfamilie der Halbkugel-Rückenschwimmer in den Bergbächen Borneos oder die neue Gattung von Bachläufern im Eingangsbereich eine Höhle in Thailand. 

Sonja Schwingesbauer: Du hast dich tatsächlich schon mit sehr vielen Insektengruppen, heimischen und exotischen Arten befasst. Gibt es eine Tiergruppe, in die du dich als Forscher noch neu oder stärker vertiefen wollen würdest?

Herbert Zettel: Ich habe während meiner Karriere hauptsächlich über drei Insektenordnungen publiziert: Wanzen, Hautflügler und Käfer. Die Methoden der Taxonomie (der Benennung und Beschreibung von Arten) sind ja ähnlich anzuwenden. Da Zeit im Leben eines Naturforschers immer Mangelware ist, sind immer wieder Vorhaben „unvollendet“ geblieben. Wahrscheinlich gehen meine unerledigten Aufgaben, die „aufzuräumen“ wären, in den dreistelligen Bereich. 
Andererseits: Ich habe das Studium der Entomologie in einer Zeit begonnen, als illustrierte Bücher Mangelware waren. Strichzeichnungen waren meist das Maximum und aus Kostengründen nur sehr spärlich vorhanden. In den 1980er-Jahren schrieb ich meine Manuskripte mit einer alten, mechanischen Schreibmaschine und ergänzte sie durch Tuschezeichnungen. Die Erfindung der Digitalfotografie war ein Meilenstein für die Entomologie. Das Internet sorgte für eine schnellere Verbreitung des Wissens. Ich weiß schön illustrierte Insektenbücher, insbesondere wenn sie taxonomische Revisionen enthalten, wirklich sehr zu schätzen. Daher stammt vermutlich auch mein Interesse für Schriftleitung. Es macht mir auch Spaß, mir noch unbekannte Insektengruppen „auszuprobieren“. 

Sonja Schwingesbauer: Immer wieder ist das Artensterben ein großes mediales Thema. Ist es um unsere Tierwelt und auch die Insektenwelt tatsächlich so schlimm bestellt? Und wenn ja, was müsste man aus deiner Sicht tun, um das zu ändern?

Herbert Zettel: Ich glaube, um die Artenvielfalt ist es noch viel schlimmer bestellt, als in den Medien berichtet wird, aber die Berichte gehen weitgehend an den größten Problemen vorbei. Die nationale Roten Listen sind besorgniserregend. In der kürzlich neu erschienenen Roten Liste der Ameisen Österreichs haben Spezialisten knapp die Hälfte aller Arten als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht eingestuft. Die Zahlen sind alarmierend – hoffentlich auch für die Naturschutzbehörden. Dabei geht es aber immer „nur“ um die Verhinderung nationaler Artenverluste.

Global gesehen lebt die größte Biodiversität in den Tropen. Dort verschwinden die Arten tatsächlich, und zwar für immer und meist unbemerkt. Dort wird nach wie vor, oft ungehindert, Raubbau an der Natur betrieben. Auf den Philippinen ist der natürliche Urwaldbestand auf wenige Prozente (< 3%) geschrumpft. Kleinere Inseln haben Waldökosysteme komplett verloren und mit ihnen alle endemischen Bewohner. Ich bin mir sicher, dass ich vor einem Vierteljahrhundert auf den Philippinen in Fließgewässern Arten gefunden habe, die heute nicht mehr existieren.

Was hat sich dort im Laufe meiner Lebensspanne verändert? Die früheren Hauptprobleme Hunger und Krankheiten wurden deutlich reduziert, in einigen Ländern ist das Hungerproblem fast gelöst. Die postkoloniale Entwicklung hat aber nur in wenigen Staaten zu einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit geführt. 

Sonja Schwingesbauer: Du bist unter anderen auch Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Entomologen. Warum ist es wichtig, dass es Vereine wie die AÖE gibt, wo Wissenschaftler und unabhängige nebenberufliche Entomologen zusammenkommen?

Herbert Zettel: „Entomologe“ ist die Bezeichnung für einen Wissenschaftler der Insektenkunde, also für eine Person, die wissenschaftliche Ergebnisse in diesem Fachgebiet liefert. Früher waren die meisten Mitglieder der AÖE Sammler, meist von Schmetterlingen und Käfern. Eine klare Unterscheidung zwischen Wissenschaftlern und Amateuren ist eigentlich nicht möglich, es sei denn, man zieht ein abgeschlossenes Hochschulstudium als Hilfskriterium heran. Wissenschaftlich aufgebaute Sammlungen, auch in privater Hand, waren immer schon Säulen der taxonomischen Forschung. Selbst wenn ein Sammler nicht selbst Forschungsergebnisse publiziert, so landen die Früchte seiner Arbeit, also seine Präparate, fast immer irgendwann in einer öffentlichen Sammlung wie z. B. dem Naturhistorischen Museum. Gerade für Rote Listen, die heute nach objektiveren Kriterien als früher erstellt werden, ist jeder einzelne Beleg, und sei er 100 Jahre alt, wichtig. Es gab und gibt in der AÖE zahlreiche „Amateure“, die neue Arten in ihrer Freizeit beschreiben. Die Zeitschrift der AÖE ist voll mit Beispielen.
 
Das gesamte Interview ist hier nachzulesen: https://www.sonjaschwingesbauer.at/interview/dr-herbert-zettel-ein-leben-fuer-die-entomologie/
  • Fischerotrephes depressus aus Borneo, Paratypus. Diese interessante Art mit außergewöhnlicher Lebensweise, die von Dr. Herbert Zettel neu beschrieben wurde, gehört zu den Wasserwanzen. © Harald Bruckner, NHMW.
    Fischerotrephes depressus aus Borneo, Paratypus. Diese interessante Art mit außergewöhnlicher Lebensweise, die von Dr. Herbert Zettel neu beschrieben wurde, gehört zu den Wasserwanzen. © Harald Bruckner, NHMW.
  • Dentigaster barbarella aus Brasilien, Paratypus. Eine Brackwepsengattung und -art, die von Dr. Herbert Zettel erstmals beschrieben wurde. Viele Brackwespen gehören im biologisch bewirtschafteten Garten zu den Nützlingen. Diese parasitoiden Arten ernähren sich im Larvenstadium oft von Raupen.  © Tamara Spasojevic.
    Dentigaster barbarella aus Brasilien, Paratypus. Eine Brackwepsengattung und -art, die von Dr. Herbert Zettel erstmals beschrieben wurde. Viele Brackwespen gehören im biologisch bewirtschafteten Garten zu den Nützlingen. Diese parasitoiden Arten ernähren sich im Larvenstadium oft von Raupen. © Tamara Spasojevic.
  • Die Berge der Insel Cebu sind mittlerweile größtenteils entwaldet. Diese Entwicklungen wirken sich auf die Biodiversität negativ aus. © Herbert Zettel.
    Die Berge der Insel Cebu sind mittlerweile größtenteils entwaldet. Diese Entwicklungen wirken sich auf die Biodiversität negativ aus. © Herbert Zettel.
  • Porträt Herbert Zettel © Alice Schumacher, Naturhistorisches Museum Wien.
    Porträt Herbert Zettel © Alice Schumacher, Naturhistorisches Museum Wien.
16. September 2024

Sommernachtstraum – der Gesang der Weinhähnchen


Weinhähnchen waren mir bis vor einigen Jahren noch unbekannt. Doch seit ich im Weinviertel lebe, freue ich mich jedes Jahr auf ihren wunderschönen Gesang. Spätestens im August ist er nicht mehr zu überhören.
Das Weinhähnchen, auch Blütengrille genannt, gehört zu den Grillen, Gryllidae. Anders als ihre Verwandten, hat das Weinhähnchen eine zierliche, längliche Gestalt. Es wirkt im Vergleich zu anderen Grillen zart, ja fast zerbrechlich.

Merkmale
Der Körper des Weinhähnchens ist länglich geformt. Nur rund 1 bis 1,5 cm lang mit etwa gleich langen Fühlern. Die Körperfarbe ist hell, leicht bräunlich bis grünlich gefärbt. Die Weibchen haben einen Legebohrer. Ihre Flügel sind schmal. Die etwas kleineren Männchen haben größere, abgerundete Flügel. Ihnen fehlt der Legebohrer.

Lebensweise
Die scheuen, nachtaktiven Tiere verstecken sich im Gebüsch oder in hohem Gras. Dort verdösen sie den Tag, um abends mit ihrem Gesang zu beginnen. Dieser dient dazu eine geeignete Partnerin anzulocken und ist oft weithin durch die Nacht zu vernehmen. Nach erfolgreicher Paarung legt das Weibchen mit seinem Legebohrer seine Eier in Pflanzenstängeln ab.

Nahrungsspektrum
Das Weinhähnchen nimmt Staub- und Blütenblätter, aber auch Spinnmilben, Läuse und andere tierische Kost zu sich.

 
Lebenszyklus
Im Frühling schlüpfen aus den Eiern die jungen Larven. Ab Juli etwa sind die Tiere adult und beginnen mit der Partnersuche und damit auch mit ihrem Gesang. Die Anwesenheit der Weinhähnchen ist durch ihren weithin hörbaren, wunderschönen Gesang einfach festzustellen. Von Spätsommer bis zum Frost sind ihre Gesänge an lauen Nächten vernehmbar. Die Art stammt aus dem Mittelmeerraum. Daher ist sie in Mitteleuropa nur in den klimatisch begünstigten Weinbaugebieten anzutreffen. 

Stridulation
Als Stridulation bezeichnet man eine spezielle Form der Lauterzeugung von Tieren, die durch Aneinanderreiben von beweglichen Körperteilen entsteht. Uns Menschen ist besonders die Stridulation der Grillen und Heuschrecken als typische hoch- und spätsommerliche Geräuschkulisse bekannt. Was uns als wohlklingendes Geräusch erfreut, dient den Geräuscherzeugern der Partnersuche. Das Männchen erzeugt das Geräusch und lockt so eine Partnerin an.

(Autorin: Sonja Schwingesbauer)

Was sind Wasserskorpione?

14. Juni 2024

Sie haben nur eine oberflächliche Ähnlichkeit mit echten Skorpionen, die zu den Spinnentieren gehören und Landtiere sind. Tatsächlich handelt es sich um Wanzen, also Insekten, die an das Leben im flachen Wasser perfekt angepasst sind. 

Wasserskorpione (Nepidae) sind Lauerjäger, ihr Schwimmvermögen ist wenig entwickelt. Ihre Beute sind anderen Wasserinsekten und Krebschen, aber auch Fischchen und Kaulquappen. Sie wird mit den Vorderbeinen gefangen, mit dem Rüssel gestochen, wobei ein Gift injiziert wird, und ausgesaugt. Der Stich ist auch für den Menschen schmerzhaft, wenn man das Tier anfasst, aber ungefährlich.

Der lange, dünne „Schwanz“ des Wasserskorpions ist eine Art Schnorchel (Sipho), mit dem er Atemluft von der Wasseroberfläche holt. Er besteht aus zwei zusammengelegten Halbröhren.

Die einzige Art Mitteleuropas heißt Nepa cinerea und ist rund zwei Zentimeter groß. Sie lebt auch in heimischen Stillgewässern. Die meisten Wasserskorpione leben in den Tropen und gehören in die Gattung Laccotrephes. Zur gleichen Familie (Nepidae) gehören die Stabwanzen, von der ebenfalls nur eine Art (Ranatra linearis) in Mitteleuropa vorkommt.

Meine Vorträge im Rahmen des Kinderprogramms „Club Vielfalt“ (17.7., 13.9.) stellen auch den Wasserskorpion vor. https://www.nhm.at/fuehrungen__aktivitaeten/kinder__familien

Herbert Zettel
  • Der typische Lebensraum des Wasserskorpions (Nepa cinerea) sind Flachwasserzonen, die nicht tiefer als die Länge seines Schnorchels sind. © Per Hoffmann Olsen.
    Der typische Lebensraum des Wasserskorpions (Nepa cinerea) sind Flachwasserzonen, die nicht tiefer als die Länge seines Schnorchels sind. © Per Hoffmann Olsen.
  • Laccotrephes robustus von den Philippinen zählt mit fast 4 cm Körperlänge (plus ebenso langem Sipho) zu den größten Wasserskorpion-Arten der Erde. Der rote Rücken ist normalerweise von den Flügeln verdeckt. Wasserskorpione fliegen extrem selten. Am Trockenpräparat sieht man, dass der Sipho aus zwei Hälften zusammengesetzt ist. © NHMW / Harald Bruckner.
    Laccotrephes robustus von den Philippinen zählt mit fast 4 cm Körperlänge (plus ebenso langem Sipho) zu den größten Wasserskorpion-Arten der Erde. Der rote Rücken ist normalerweise von den Flügeln verdeckt. Wasserskorpione fliegen extrem selten. Am Trockenpräparat sieht man, dass der Sipho aus zwei Hälften zusammengesetzt ist. © NHMW / Harald Bruckner.
  • Die heimische Stabwanze (Ranatra linearis) bei der Paarung. © Andreas Eichler, CC BY-SA 4.0.
    Die heimische Stabwanze (Ranatra linearis) bei der Paarung. © Andreas Eichler, CC BY-SA 4.0.
  • Die Stabwanze Ranatra stali ist ein Endemit der Philippinen. Im Gegensatz zu unserem Stillwasserbewohner Ranatra linearis besiedelt er die Ränder langsam strömender Bäche und Flüsse. © NHMW / Harald Bruckner.
    Die Stabwanze Ranatra stali ist ein Endemit der Philippinen. Im Gegensatz zu unserem Stillwasserbewohner Ranatra linearis besiedelt er die Ränder langsam strömender Bäche und Flüsse. © NHMW / Harald Bruckner.

Schmetterlingzucht in Schulen und Kindergärten

Natur hautnah erleben und verstehen

21. Mai 2024
Kaum wo kann man die Verwandlung, die Metamorphose, von Schmetterlingen lebendiger und eindrucksvoller erfahren als bei der Zucht vom Ei über die Raupe und die Puppe zum Schmetterling. Aus mehreren Gründen eignet sich das Wiener Nachtpfauenauge dafür besonders gut: 

  •   Es handelt sich um eine sehr attraktive Art. Immerhin ist es der größte europäische Schmetterling mit eindrucksvoller Zeichnung.
  •   Die Zucht ist relativ einfach und sicher, wenn einige wenige Dinge beachtet werden.

  •   Durch die Größe der Individuen kann eine ganze Gruppe die Prozesse gemeinsam mit freiem Auge beobachten.

  •   Schlüpfende Falter sind ruhig und fliegen nie plötzlich auf. Sie sind nachtaktiv und ruhen am Tag. Sie schlüpfen aber immer am Tag und das wohl Spannendste, das Schlüpfen und Entfalten der Flügel, kann mit etwas Glück und Vorbereitung gut beobachtet werden.

Seit vielen Jahren züchte ich das Wiener und auch das Kleine Nachtpfauenauge und gebe Eier an Kindergärten, Schulen und auch interessieren Laien weiter. Dazu gibt es eine Zuchtanleitung und eine Kummernummer und somit steht einem einmaligen Erlebnis nichts mehr im Weg. 

Bei Interesse schreiben Sie mir  stefan.kirchweger@entomologie.at

Stefan Kirchweger

  • Wiener Nachtpfauenauge Männchen kurz vor dem Abflug ©Kirchweger
    Wiener Nachtpfauenauge Männchen kurz vor dem Abflug ©Kirchweger
  • Die Raupe in der dritten Haut mit gelben Warzen ©Kirchweger
    Die Raupe in der dritten Haut mit gelben Warzen ©Kirchweger
  • Erwachsene Raupe © Kirchweger
    Erwachsene Raupe © Kirchweger
  • Ein Falter zwängt sich aus dem Kokon ©Kirchweger
    Ein Falter zwängt sich aus dem Kokon ©Kirchweger
  • Ein frisch geschlüpfter Falter beginnt mit dem Entfalten der Flügel ©Kirchweger
    Ein frisch geschlüpfter Falter beginnt mit dem Entfalten der Flügel ©Kirchweger
  • Frisch geschlüpft und fertig zum Abflug ©Kirchweger
    Frisch geschlüpft und fertig zum Abflug ©Kirchweger
  • In einem Kindergarten in Wels. Das Staunen war groß als sich am nächsten Morgen ein Liebespaar gefunden hatte © Sarah Holzapfel
    In einem Kindergarten in Wels. Das Staunen war groß als sich am nächsten Morgen ein Liebespaar gefunden hatte © Sarah Holzapfel
  • Oft spannender als Fernsehen - die Box mit den Raupen ©Sarah Holzapfel
    Oft spannender als Fernsehen - die Box mit den Raupen ©Sarah Holzapfel

„Wildbienen sind beeindruckend!“

Interview mit der Biologin Sylvia Wanzenböck, zusammengestellt von Sonja Schwingesbauer.

26. April 2024
Sonja: Hallo Sylvia. Du bist Biologin und hast dich auf Wildbienen spezialisiert. Was fasziniert dich an Wildbienen?

Sylvia: Hallo Sonja, ich finde das Großartige an Wildbienen ist, zum einen, ihre Artenvielfalt – in Österreich gibt es ca. 700 Wildbienenarten. Aber auch ihre Diversität in Form und Farbe und ihre verschiedenen Lebensraum- und Nahrungsansprüche sind beeindruckend. Zum anderen sind sie wichtige Elemente unseres Ökosystems und tragen auch maßgeblich zur Produktion unserer Nahrungsmittel bei. Im Frühling gewährleisten Wildbienen zum Beispiel die Bestäubungssicherheit von früh blühenden Obstgehölzen, da einige Arten, wie die Hummeln, auch bei sehr geringen Temperaturen fliegen.


Sonja: Gibt es eine Gattung oder Art, die dich besonders interessiert? Und wenn ja, warum? 

Sylvia: Besonders beeindruckt mich das Brutverhalten der Schneckenhausbienen! Diese Arten legen ihre Nester ausschließlich in leeren Schneckenhäusern an. Das Weibchen der Zweifarbigen Schneckenhausbiene (Osmia bicolor), zum Beispiel, sucht sich im Frühling ein Gehäuse an einer passenden Stelle aus und legt im Inneren einzelne Brutzellen an. In jede dieser Zellen werden Pollen als Proviant und ein Ei gelegt und danach sorgfältig verschlossen. Zum Schutz vor Parasiten legt sie am Ende einen Hohlraum an, den sie mit Erdkrümel und kleinen Steinchen füllt und mit Pflanzenmörtel verschließt. Danach richtet sie das Schneckenhaus so aus, dass die Öffnung zum Boden schaut, damit kein Wasser eindringen kann. Um ihr Nest zu tarnen, fängt sie nun an Holzstücke, Halme und Kiefernnadeln heranzuschaffen. Dabei transportiert sie fliegend Stücke, die viel länger sind als sie selbst. So errichtet sie nach und nach ein Dach aus Pflanzenteilen, um so das Schneckenhaus zu verstecken.

 
Sonja: Wie gefährdet sind Wildbienen? Was sind Gefahrenquellen?

Sylvia: Wildbienen sind grundsätzlich von den gleichen Faktoren betroffen, die generell für das Insektensterben verantwortlich sind. Darunter fällt der Einsatz von Pestiziden, die intensive Landwirtschaft, der Verlust an kleinräumigen und diversen Habitaten und die Flächenversiegelung. Auch durch falsche oder schlecht getimte Pflegemaßnahmen, z.B.: zu zeitige Mahd im Frühling, können Arten gefährdet sein, da ihnen die Nahrungsquellen genommen werden. Auch die Erhöhung der Temperatur spielt eine wichtige Rolle – hier gibt es allerdings Gewinner und Verlierer unter den Wildbienen. Einige Arten, aus dem pannonischen und mediterranen Raum, profitieren von den steigenden Temperaturen und haben sich in den letzten Jahren immer weiter in Österreich ausgebreitet. Andere Arten, wie zum Beispiel die Hummeln, sind vorwiegend an kühle Temperaturen angepasst. Durch die Erwärmung verlagert sich ihr bevorzugtes Temperaturspektrum nach Norden und in höhere Lagen oder verschwindet in gewissen Gebieten völlig. Dadurch kann es zum kompletten Verschwinden mancher Hummelarten in diesen Gebieten kommen. Allerdings ist nicht nur die Temperaturerhöhung ein Problem, sondern auch die Trockenheit. Viele Sommerarten finden oft nicht mehr genug Nahrung, da ein Großteil der von den Wildbienen genutzten Pflanzen in den heißen Monaten vertrocknen oder nach einer Mahd nicht mehr neu austreiben können. Dazu kommt auch eine gewisse Konkurrenz durch Honigbienenvölker. Wenn viele Honigbienenvölker auf einer relativ kleinen Fläche angesiedelt werden, benötigen sie große Mengen des vorhandenen Blütenangebots. Die Wildbienen finden dann weniger Nahrung und können ihre Nachkommen nicht ausreichend versorgen.


Sonja: Wie engagierst du dich für Wildbienen?

Sylvia: Ich arbeite mit Wildbienen und führe wissenschaftliche Untersuchungen durch, um damit unser Wissen über sie zu erweitern. Sowohl über ihre Verbreitung als auch ihr Verhalten gibt es noch viel zu erforschen, denn nur wenn man die Ansprüche der verschiedenen Arten versteht, kann man sie bestmöglich schützen. Ich fotografiere Wildbienen schon seit vielen Jahren und versuche sie damit ihre Vielfalt und Besonderheiten den Menschen näher zu bringen. Dabei spornt mich die Herausforderung an, ein gutes Foto von einer Wildbiene in ihrem natürlichen Lebensraum zu machen. Für mich ist es auch ein wichtiges Anliegen die Menschen über Wildbienen aufzuklären und klarzumachen, dass man das Bienensterben nicht mit dem Aufstellen eines Honigbienenvolkes aufhalten kann. Honigbienen sind Nutztiere und werden vom Menschen gezüchtet. Wenn ein Stock stirbt, wird einfach ein neues Volk gezüchtet aber diese Möglichkeit gibt es bei Wildbienen nicht. Daher ist es wichtig, dass jeder seinen Beitrag leistet – sei es durch den Verzicht auf Pestizide im eigenen Garten oder das Anlegen von Blühstreifen an den Feldrändern oder neben einer Straße.

 
Sonja: Sylvia, du bist aktiv in der Forschung von Wildbienen tätig. An welchen Projekten hast du geforscht? Und gibt es ein aktuelles Forschungsprojekt?

Sylvia: Ich habe in den letzten Jahren an mehreren Wildbienen-Monitoringprojekten gearbeitet. Für den Tiergarten Schönbrunn habe ich beispielsweise eine Artenliste der dort vorkommenden Wildbienenarten erstellt. Für die Gartenbauschule Schönbrunn habe ich ein Monitoring durchgeführt, bei dem die Fragestellung behandelt wurde, welche Wildbienen auf bestimmten Pflanzenkulturen zu finden sind, um ihre Relevanz und ihren Einsatz in Saatgutmischungen abschätzen zu können. Aktuell arbeite ich am Naturhistorischen Museum Wien in einem Projekt, dass die Rote Liste der Wildbienenarten für Österreich erstellt. In dieser Liste werden alle Wildbienenarten angeführt, die in Österreich gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben sind.

 
Sonja: Kann man Wildbienen auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon fördern? Und wenn ja, wie?

Sylvia: Natürlich, und dafür ist oft gar nicht viel nötig! Wenn man einen Garten hat reicht es oft schon ein „wildes“ Eck anzulegen. Das kann man einfach erreichen, wenn man die Rasenfläche nicht jedes Mal vollständig mäht, sondern nur parzellenweise damit immer ein paar Blüten für die Wildbienen stehen bleiben. Man kann auch Pflanzen setzen, die von Wildbienen gerne angenommen werden, dazu zählen Salbei, Schwert-Alant und Obstbäume. Es ist auch wichtig, für passende Nistmöglichkeiten zu sorgen, denn nur wenn diese vorhanden sind, kommen verschiedene Wildbienenarten vor. Hier gibt es unter anderem bodennistendende und hohlraumnistende Arten. Die Bodennister benötigen offene oder nur spärlich bewachsene Bodenstellen in die sie selbst ihre Nester graben. Wenn solche Stellen nicht im Garten vorhanden sind, kann auch ein Sandarium (Anm.: abgegrenzte, offene Sandfläche) angelegt werden. Für Hohlraumnister kann ein Insektenhotel zur Verfügung gestellt werden, aber auch markhaltige Stängel von Brombeere oder Königskerze werden von manchen Arten für den Nestbau benötigt. Egal ob im Garten oder auf dem Balkon – es ist wichtig, möglichst viele verschiedene Habitate anzubieten, so kann man sich sicher sein, dass die eine oder andere Wildbiene vorbeikommen wird. 

  • Portrait - Sylvia Wanzenböck
    Portrait - Sylvia Wanzenböck
  • Zweifarbige Schneckenhausbiene beim Nestbau - Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
    Zweifarbige Schneckenhausbiene beim Nestbau - Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
(Autorin: Sonja Schwingesbauer)